EIN GESPRÄCH MIT ROBERT ŠOKO ⎜bei Robert Lippuner
“Mich interessierte schon immer, was sich hinter der Grenze befindet.”
Ich komme aus einer Industriestadt in Zentralbosnien. Die Stadt heisst Zenica. Ich hab neulich irgendwo im Internet gelesen, Zenica sei “das Juwel” des Bosnischen Tourismus. Und deswegen sagt man über uns Menschen aus Zenica auch, dass wir etwas edles in uns tragen. Also, meine Schwester und meine ex-Frau, die beide auch aus Zenica stammen und heute wie ich in Berlin leben, können dies einstimmig bestätigen! Meine Freundin die aus Paris kommt, sieht das allerdings ein wenig anders…(lacht)
Du bist ja in den 90er Jahren nach Deutschland gekommen. Aus welchem Grund hast du damals deine Heimat verlassen?
Und das ging problemlos? Oder brauchte man damals noch ein Visa?
Was verbindet dich heute mit deiner alten Heimat? Bist du oft dort, zum Beispiel um aufzulegen?
Huh, gute Frage. Also, eine ganze Weile lang pflegte ich so etwas wie Nostalgie. Ich dachte es gibt so was wie ein “WIR”, und es war schön daran zu glauben. Aber mit der Zeit änderte sich alles und dieses Gefühl verblasste wie ein altes Foto. Immerhin entwickelte sich aus dieser “Nostalgie” meine heutige DJ Karriere.
Um deine Frage konkret zu beantworten: es sind wahrscheinlich die Erinnerungen an meine Jugendzeit, die mich mit der Heimat verbinden. Manchmal ist es auch die Musik. Meistens sind es aber vor allem die hohen Telefonkosten die mich mit der “alten Heimat” verbinden!
Gibt es aktuell spannende musikalische Geschichten aus dieser Ecke?
Also, Dubioza Kolektiv rockt anständig in letzter Zeit. Shazalakazoo aus Belgrad produzieren auch eine sehr interessante Mélange aus Balkan-Sound und sogenanntem Global Bass. “Musik mit geographischer Herkunft”, wie sie es selber nennen. Aber ansonsten, spannendes aus dieser Ecke?! Hm, lass mich Überlegen. Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Momentan gibt es nichts wirklich neues, würde ich sagen. Es ist eher so das spannende “Balkan Sachen” gerade eher in Westeuropa produziert werden. Die Westler spielen sich lustigerweise gerne als temperamentvolle “Balkanesen” auf, und die tatsächlich “aus der Balkan Ecke stammenden” tun lieber so als ob sie alle aus New York kommen würden! Paradox und verrückt, aber so ist es, und es ist auch gut so!
Überhaupt, in diesem Klüngel aus Balkan/Gypsy/Osteuropa/Worldmusic, siehst du da momentan neue Entwicklungen?
Ich sehe momentan keine richtigen neuen Entwicklungen. Es ist immer wieder Recycling. Immer wieder die alten Melodien, gepaart mit anderen Musikrichtungen. Was aber auch völlig Ok ist. In letzter Zeit finde ich es sehr interessant zu beobachten wie z.B. die Sounds der Generation meines Sohnes, also Teenager die Hip-Hop, Dubstep, Trap usw. hören, wie diese Sounds mit der Balkanmusik, sowie mit dem Publikum im Club sehr gut fusionieren. Wobble Bass trifft auf Hop Hop Hop sozusagen!
Du hast ja auch am letzten Album vom Boban i Marko Marković Orkestar mitgewirkt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und was war da genau dein Part?
Nicht so richtig “mitgewirkt”, das ist übertrieben. Ich habe lediglich das sogenannte Sequencing gemacht und schlussendlich einen Remix produziert (Go Marko Go), den ich aber persönlich nicht so toll fand, und so gut wie nie in meinen DJ Sets gespielt habe. Bis ich aber neulich während meiner BalkanBeats Party in Tokyo feststellen durfte, dass die Japaner total auf diesem Track ausflippen. Und wenn die Japaner drauf abgehen, muss wohl was Wahres dran sein, dachte ich mir. Es ist schon interessant zu sehen wie ein und der selbe Song auf dem anderen Teil des Planeten komplett anders funktioniert. Ich habe mir, glaube ich, diesen “Intercontinental Drift” zu nutze gemacht!!
Mmmh, das weiss ich selber gar nicht mehr so genau! Die ursprüngliche Idee war, dass ich quasi als “Beat-Berater” mitwirke. Mit der Zeit wurde mir aber klar, dass ich eher ein Einzelgänger bin, als Teil eines Rudels. Dazu kommt noch, dass es nicht unbedingt einfach ist, mit einer Truppe die es schon seit über 20 Jahren gibt und ihre eigene Regeln und Dynamik entwickelt hat, zusammenzuarbeiten. Und vor allem muss man das ja auch nicht um jeden Preist tun. Ich auf jeden Fall nicht, da ich meine eigene Laufbahn ja schon ziemlich International gestrickt habe, und sowieso immer unterwegs bin.
Immerhin war ich der Namensgeber dieser Band, und das reicht ja schon völlig, finde ich! Trotzdem kann man meine “Fresse” immer noch auf den Plakaten sehen. Und das war ja letztlich auch der Deal zwischen uns, da sie dringend einen gut aussehenden Mann brauchten, und ich mich ja auch wahnsinnig gerne in all diesen sexy Posen an der Wand sehe! (breites grinsen!)
Die letzte Balkanbeats Compilation ist schon ne Weile her. Wird es eine Fortführung geben, und wenn ja wann wird sie rauskommen?
Was sind ansonsten deine nächsten Projekte?
BalkanBeats Paris wurde rehabilitiert und rockt nun alle zwei Monate im Zentrum von Pigalle, im legendären “Divan Du Monde”, jenem Veranstaltungsort welches im 19ten Jahrhundert als “Opium Salon” berühmt war. Ein extraordinrärer Veranstaltungsort, und wir sorgen dafür das es auch weiterhin so bleibt!
BalkanBeats Tokyo war um einiges grösser dieses Jahr. Ich spiele in immer mehr Städten und für´s Jahr 2015 ist eine Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut geplant.
Unsere BalkanBeats London Party hatten die ganzen 6 Jahre über eine wahnsinnige “Full House” Dynamik, und darum war es an der Zeit umzuziehen. Jetzt sehen wir uns ab nächstem Jahr alle zwei Monate in London Brixton.
BalkanBeats Mexico ist auch immer wieder an der Tagesordnung – anno 2015 kochen wir wieder was zusammen in Oaxaca und Mexico-City…
Und dann halt noch weitere Sachen… immer wieder irgendwelche Versuche, Experimente, Projekte, Kooperationen, Kollaborationen, Expeditionen, Entwicklungs-Ideen, Masturbationen, Visionen, Balkanometaforasitationen, verschiedene Internationale Onanisationen etc. etc., und vieles mehr!
Das alles steht an der Tagesordnung, und wenn ich manchmal den Überblick verliere, dann greife ich zu der guten alten Balkan-Methode, die schon mein Opa Stipe damals zu schätzen wusste: Šljivovica Magica! So verschaffe ich mir eine bessere Sicht auf die Dinge, und eine gewisse Harmonie tritt ein! Und eines weiss ich dann jeweils mit absoluter Sicherheit: ich bin ein anderer Mensch und stehe mit der alten Heimat in direkter Verbindung! Ja sam ON!
Dem ist nichts mehr beizufügen. Hvala Robert und živeli!
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